Büro.

Ein Essay von REZA HAFIZ

Ich erlebe beides. Die Freiheit des Homeoffice und die herzliche Umarmung im Büro. Und manchmal denke ich: Zwischen beiden liegt nicht nur ein Ort, sondern ein ganzes Lebensgefühl.

Im Homeoffice beginne ich den Tag barfuß. Der erste heiße Kakao dampft neben mir, das Licht fällt weich durch meine Panoramafenster.

Keine langen Fahrten, kein Smalltalk im Flur. Nur ich, mein Laptop – und die Möglichkeit, mich ganz auf meine Arbeit zu konzentrieren. Es klingt perfekt. Und das ist es manchmal auch. An Tagen, an denen ich meine Gedanken sortieren muss. An Tagen, an denen das Leben draußen zu laut ist.

Doch genau dann, wenn ich mich zu sicher fühle in meinem Kokon aus Jogginghose und Stille, spüre ich, wie mir etwas fehlt. Es ist schwer zu benennen. Vielleicht ist es Zugehörigkeit. Vielleicht einfach nur das Lächeln eines Kollegen, das mehr sagt als jede E-Mail. Ich merke, wie sich die Tage im Homeoffice aneinanderreihen wie ein Film ohne Schnitt. Ich funktioniere – aber ich lebe nicht mehr mit anderen.

Im Büro hingegen ist das Leben unperfekt und genau deshalb echt. Der Kakao schmeckt etwas schlechter als zu Hause. Ich führe Gespräche, die ich nicht führen muss, aber die mich daran erinnern, dass wir Menschen soziale Wesen sind.

Ich sehe, wie sich jemand freut, weil ein Projekt endlich fertig ist. Ich erlebe Reibung, Missverständnisse – aber auch Versöhnung. Das Büro ist kein Ort, an dem ich nur arbeite. Es ist ein Ort, an dem ich dazugehöre.

Natürlich war das nicht immer so. Es gab Zeiten, da erschien mir das Büro wie ein Käfig. Zu viele Meetings, zu wenig Luft zum Denken. Da war das Homeoffice meine Rettung – ein Raum, in dem ich meine eigene Stimme wiederfand. Aber irgendwann merkte ich: Ich brauche nicht nur Raum, ich brauche Resonanz. Ich will nicht nur effizient sein. Ich will berührt werden.

Heute sehe ich beides mit neuen Augen. Das Homeoffice ist wie ein Rückzugsort in den Bergen – friedlich, still, klärend. Aber das Büro ist wie ein Platz in der Stadt – laut, lebendig, manchmal anstrengend, aber immer voller Leben.

Ich glaube, wir müssen aufhören, Arbeit nur als Leistung zu betrachten. Arbeit ist Begegnung. Arbeit ist Beziehung. Arbeit ist ein Teil unseres Lebens – und Leben passiert nicht nur im Kalender, sondern im Augenblick, der unerwartet schön wird, weil jemand im Büro „Danke“ sagt oder weil man im Fahrstuhl kurz schweigt – gemeinsam.

So gesehen ist die Frage nicht: Homeoffice oder Büro.
Sondern: Wo finde ich heute die Menschlichkeit, die ich zum Arbeiten brauche.

Und manchmal ist das einfach der Blick aus dem Fenster – und manchmal der Blick in die Augen eines Kollegen.

REZA HAFIZ