Wege.

Ein Essay von REZA HAFIZ

Es gab eine Zeit in meinem Leben, da wollte ich nur ankommen. Ich glaubte, dass das Glück dort sei – an einem bestimmten Ort, in einem bestimmten Erfolg.

Ich rannte. Ich kämpfte. Ich plante. Und ich glaubte, dass der Moment des Ankommens mir endlich Frieden bringen würde.

Heute weiß ich: Das Leben ist nicht die Summe unserer erreichten Ziele. Es ist die Art, wie wir den Weg dorthin gehen. Ob wir dabei Menschlichkeit lernen. Ob die Last anderer durch uns ein Stück leichter wird. Ob wir bereit sind, uns selbst zu begegnen.

Wenn ich heute an den Satz „Der Weg ist das Ziel“ denke, spüre ich keine platte Kalenderspruch-Romantik. Ich spüre Tiefe. Ich spüre Schmerz. Und ich spüre Frieden. Denn ich habe gelernt: Der Weg ist nicht immer schön. Aber er ist ehrlich. Und er ist unser Lehrer.

Manchmal scheint der Weg hart. Unfair. Einsam. Aber genau in diesen Momenten wachsen unsere Wurzeln. Genau da formt sich die Kraft, die später in unserem Lächeln liegt. In unserer Gelassenheit. In unserem Mitgefühl.

Ich glaube nicht mehr daran, dass Glück das Ziel ist. Ich glaube daran, dass Glück das Nebenprodukt eines gelebten Weges ist. Ein Weg, den man nicht perfekt geht. Aber aufrecht. Mit offenem Herzen. Und der Bereitschaft, sich immer wieder überraschen zu lassen – vom Leben selbst.

Ich glaube heute: Wer nur auf das Ziel schaut, übersieht das Leben.
Denn die Freude steckt nicht im Ankommen, sondern im Werden.
Nicht im Abschluss, sondern im Aufbruch.
Nicht in der Perfektion, sondern im Mut, unperfekt weiterzugehen.

Manchmal ist der Weg schmal, manchmal breit. Mal sonnig, mal kalt. Es gibt Umwege, Rückschritte, Abzweigungen – aber kein Weg ist umsonst. Jeder Schritt trägt etwas in sich, das wir später brauchen werden. Vielleicht nicht, um anzukommen. Sondern um zu verstehen, wer wir geworden sind.

Ich schreibe diese Zeilen nicht aus der Sicht eines Menschen, der angekommen ist. Ich schreibe ihn aus der Mitte des Weges.

Morgens gehe ich inzwischen oft barfuß ein paar Schritte durchs Gras. Nicht, weil ich irgendwohin will. Sondern, weil ich das Leben spüren will.

Denn vielleicht ist das wahre Ziel gar nicht das große Irgendwann.
Vielleicht ist das wahre Ziel der Mensch, der wir auf dem Weg werden.

Und vielleicht ist genau das: genug.

REZA HAFIZ